Das Peinlichkeitsbarometer schlug auf den höchsten Punkt seiner Skala, als mir die sicher mit allen Schönheitstechniken vertraute Verkäuferin klarmachte, dass diese Creme nur bei junger Haut wirkt, und ich ein ganz anderes Mittel, altersgemäßes, einsetzen müsste, um eine entsprechend nachhaltige Wirkung der Falten zu erzielen. Altersgemäß?
Freute man sich vor vielen Jahren über dieses Wort, galt es doch dem Kind, dass sich altersgemäß entwickelte, altersgemäß, ein bestätigendes, ein sorgloses Wort für einen ganz normalen Zustand. Ein paar Jahre später verschwand das Wort aus dem Sprachgebrauch. Die fortschreitende Entwicklung des Kindes nannte man Pubertät und zwischen zwanzig und vierzig Jahren war man einfach jung. Heute, in der Drogerie fand ich das Wort mehr als befremdlich, finde dich damit ab, du wirst alt, schlimmer noch man sieht es.
Nach dem vierzigsten Lebensjahr taucht dieses Wort in zunehmendem Maße wieder in unserem Sprachgebrauch auf und dies gilt zunehmend auch für die Herren der Schöpfung. Beider Geschlechter kämpfen den letzten Kampf um diee Jugend im Bewußtsein, das sie verlieren werden.
Das Wort altersgemäße Entwicklung wird hier zum Unwort. Kosmetik- und Pharma-Industrie suggerieren mit massiver Werbung, altern war gestern, jung fühlen, jung aussehen ist machbar und wichtig. „In Würde altern“ ist antiquiert erinnert an das vergangene Jahrhundert. So ähnlich sieht es mein Hausarzt, er ist überzeugt, altern ist naturbedingt. Herz, Blutdruck, altersgemäß, müde, geschwollene Beine, altersgemäß, Knochengerüst, Wirbelsäule, guter Gott, stöhnt der Arzt, sie sind nicht mehr die Jüngste, ein ganz normaler Verschleiß, eben altersgemäß, danken sollten sie, dass sie ansonsten mit ihrer Gesundheit zufrieden sein können. Treiben sie Sport, gehen sie unter Menschen, führen sie ein erfülltes Leben. Für die verräterischen kleinen braune Flecken, die die Haut langsam überziehen, können sie einen Schönheitschirurgen bemühen, wenn es nicht auf Geld ankommt, auch sich runderneuern lassen, aber altersgemäß ist das nicht. Die schönen alten Gesichter „vom Leben gezeichnet“ bleiben aus.
Faltenfrei, strahlend schön, jugendlich, dynamisch, ein Wunschtraum den der Fortschritt der Schöhnheitschirurgie in greifbare Nähe rückt. Es muss nicht das Messer des Chirurgen sein, die Freude am Leben macht’s. Also, hinein in den Jungbrunnen. Seit es Menschen gibt träumen sie von ewiger Jugend und diese kann heute erfreulich, dank unserer Lebensweise lange gelebt werden. Das Wörtchen altersgemäß verliert bei Menschen ab vierzig Jahren endgültig seinen Schrecken, wirkt völlig fehl am Platz, denn hundert Jahre ist kein Wunschtraum mehr. Wie wir die letzten 20 Jahre allerdings verbringen, das bleibt der unbekannte Faktor.