Genau finnisch. Fassbinder bayrisch. Breitengrade unterschiedlich. Lebensphilosophie gleich.
Endlich mal wieder ein Film bei „Arte“ von Aki Kaurismäki und ich ging in die Knie. „Der Mann ohne Vergangenheit“, ganz ohne Sehempfehlung in den Zeitungen. Aber die elende amerikanische Schnulze „Der Mann ohne Gedächtnis“, gleiches Thema, allerdings in Seidenbettwäsche, wird rauf und runter gedudelt bei allen Sendern. Aki gelingt immer ein literarischer, lyrischer Film, kein Wort zuviel, von Musik begleitet, natürlich finnischer Tango und rock and roll, meist wird geschlafen ganz ohne Bettwäsche. Mit Humor ist der schwermütige, von Preisen gehäufte, noch immer trinkfeste Aki nicht gesegnet. In bleibender Erinnerung sein Film „Das Mädchen aus der Streichholzfabrik“, der mich zu seinem Fan machte. Menschen am Rande der Existenz und dazu ist arm zu sein, kein Muss.
Ersatz vielleicht für Bunuell. In dessen Filme stürzte ich um mit einem Stückchen neuer Erkenntnisse über das Sein wieder rauszukommen.
Kino so, wie es transportiert werden sollte, beleuchtete Geschichten, erzählt wie eine Ballade, unspektakulär, voller Wehmut, die Portugiesen haben ein schönes Wort dafür: „Saudade“.
Grass, Rühmkorf, Enzensberger, gaben einen Leseabend, einfach schaurig ihre 30-40 Jahre alten Gedichten zu hören, Rühmkorf nur mit stoßendem, erhobenem Zeigefinger, Grass quälte sich in seinen Bart und Enzensberger lächelte stereotyp tolerant. Sie hatten nichts zu sagen. Und Kempowski trat heute gedanklich weg, als die Radisch im „Literatur Foyer bei „3sat“, wenig Verständnis für sein „Echolot Abgesang 45“ zeigte. Verdammt noch mal, diese Leistung eine 8000- seitige Sammlung von Texten des 2. Weltkrieges, von Menschen hingeschrieben, in Form von Notizen zusammenzustellen. Ein Werk, das wirklich die Befindlichkeiten jener Zeit und ihres Zustandes deutlich macht, der Dame fehlte dabei die Literatur. Sie polemisierte so gekonnt, dass mir genügend Zeit blieb, jede Falte in ihrem Gesicht zu zählen. Dafür hielt Herr Kempowski sich die Hand vor Augen, ein wahrer Ästhet. Schätze er und Aki Kaurismäki würden sich gut verstehen bei finnischem Tango und einem Gläschen Rotwein.
Ach, so wenig Leuchten in unserem Land und die, die wir haben, denen knipsen wir das Licht aus.
Ich guck jetzt mal eine Weile über die Ostsee und zähle die ölverklumpten Fische.