Fünf Tage Zwangsurlaub vom Fernsehen so geschehen in einigen Regionen um Potsdam herum, anscheinend ohne größere Proteste, denn Kabel schaltete nur eine Hotline, Bauarbeiten auf unbestimmte Zeit. Zuerst zappt man durch die Schneebilder, vielleicht liegt es am Fernseher, endlich wurde es mal wieder laut zwischen den Häusern, dachte schon ich lebe in Italien, Worte flogen hin und her, Balkone wurden besetzt ungestört von der Dunkelheit. Ich tigerte durch die Wohnung und meinem Bücherregal, vielleicht etwas dabei, das ich noch nie gelesen habe oder wieder lesen möchte. „Meistererzählungen vor dem Kamin“, na sehr skeptisch, Kuschel- oder Lovestorys, gehören nicht zu meinen Vorlieben, Geschenk eines lieben Menschen wahrscheinlich, schnell versank ich zwischen Thomas Mann und Isaak B. Singer. Wunderbar, Zeit verfliessen hören. Und doch immer wieder testen ob noch immer Schneebild. 400 Seiten und 5 Abende später mitten drin im Wahlkampf. Ein leichtes Erschrecken, wie öde die Gesichter und ihre Worthülsen, das Gewohnheitstier in mir wollte sehen, die hängenden Mundwinkel von Angela Merkel, die wässrige Bläue ihrer Augen und immer die selben Worte wie auswendig gelernt, Stoiber neben ihr, wie durch eine Betonwand getrennt, Clement hellwach, lebt ebenso wenig unterm Volk, wie alle Politiker. Der eingeladene Schneider vom Paritätischem Wohlfahrtsverband schilderte eindringlich die Not der Kinder, jedes 4. lebe von der Sozialhilfe, und ob es reiche 1,15 Euro für Schulmittel und 44 Euro im Jahr für Schuhe? Clement schon sehr müde, seine Backenfalten hingen bis zum Kinn, er sausste von ARD zum ZDF Politiktalk, mit den immer gleich Phrasen, argumentierte, dass er es eher für unzumutbar halte, wenn Sozialhilfeempfänger wegen Anschaffungen jedesmal einen extra Antrag stellen müssen, jetzt so er, bekommen sie monatlich 210 Euro und das muss reichen für alle Anschaffungen jährlich, ob Winterstiefel, Sommerschuhe, Sandalen, Turnschuhe, alles für 44 Euro. Wie war das, es müssen Anreize geschaffen werden, dass die Menschen hier wieder mehr Geld ausgeben. Bravo, welch ein Anreiz mit 10 Euro ordentlich zu shoppen, um ein paar Winterstiefel zu bekommen. Clement, das könne man in den nächsten Jahren nachbessern, Schneider, die Kinder leiden jetzt unter der Not, und sie sind unser höchstes Gut, was wird aus ihnen in den nächsten paar Jahren, setzten sie die Tradition ihrer Eltern als Sozialhilfempfänger fort?
Clement ließ die Scheuklappen runter. Die Antwort von Koch ersparen wir uns.
Schöne Tage ohne TV, lesend und mehr erfahrend. Letzter Satz von Thomas Mann aus „Little Grandma“ Die Menschheit ist eine schwache, doch nicht gemütlose Kreatur. Sie wird es übel treiben bis ans Ende