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Thursday, 29. June 2006
Diese WM dürfte noch lange ein Schar von Soziologen und Psychiatern beschäftigen, Klärungsbedarf liegt an, wie sind wir Deutschen wirklich?
Obrigkeitshörig, fleißig, pünktlich, ernst, humorlos, dickbäuchig, dickhäutig, laut, streitsüchtig und immer miesepetrig drauf. Oder dialogbereit, freundlich, hilfsbereit, sangesfreudig etc. Für vier Wochen gab es den Befehl "zu Gast bei Freunden" und blamiert den Kaiser nicht. Wir schlugen die Hacken zusammen, "zu Befehl". Euphorie, Umarmungen so weit das Auge reicht, Choräle aus tausendfachen Stimmen..Geflaggt bis an die Ohren, vom Kotflügel bis zur Halskrause bzw. Perücke schwarz , rot, gold.
Dauergrinsen - Dauersonne ein großes Staunen liegt über diesem Land. Wo immer ich hinkomme wird gegrinst, auf die Schulter geklopft. In öffentlichen Verkehrsmitteln hocken die beflaggten, breitbeinig in kurzen Shorts, dass einem die Lust auf Mann vergeht. Aber wer will schon Sex, selbst die angereisten Prostituierten müssen mangels Freier, Fußball gucken. Alle vereint, endlich vereint, "Brüder zur Sonne" jedenfalls, solange eine Kamera drauf hält. 24% laut Umfrage interessiert die WM nicht, diese Unbelehrbaren der reinen Freude, registrieren nicht nur eitel Wonne. Hat nicht vor zwei Tagen in Berlin-Neukölln ein Polizist einen Schwarzen, der bei Rot über die Straße ging, in Handschellen abgeführt. War wohl nicht der deutsche Nationalspieler gleicher Hautfarbe, der für uns rennen darf, aber wehe, sollte er in einer dunklen Straße unerkannt flanieren wollen, da hört der Patriotismus auf. Zu Gast bei Freunden musste Bruno, der Braunbär, der aus Angst vor einer Herde Kühen, reißaus nahm, mit dem Leben bezahlen. Alles was recht ist, was zu weit geht, geht zu weit. Leitfäden von oben, umspannen das Sein.
Ich fröne meiner schlechten Laune, will miesepetrig meinen Geschäften nachgehen, will weder Hausmeister noch Nachbarn grüßen, will das Gejohle von allen Balkonen nicht mehr hören, kann die Grillschwaden die abendlich herüberwabern nicht ertragen, mag auch keinen Eisbecher mit deutschem Fähnchen garniert essen. Ich will meckern, nehmen sie den abgelaufenen Joghurt aus dem Regal, aber sofort und nicht hören, Entschuldigung wird sofort erledigt, ich will hören, das geht sie gar nichts an. So bin ich es gewohnt, wie soll ich Kolumnen schreiben, wenn sich ringsum Zufriedenheit ausbreitet wie Grießbrei mit Zimt. Nachbarn schenken selbstgepflückte Kirschen, ungefragt und ungebeten, da wird Kuchen rübergereicht, ein Bund Liebstöckel(Maggikraut) unaufgefordert verschenkt, was soll das. Ich habe Maggi in der Flasche und das bekomme ich beim Leuteausnutzer Lidl.
Bald ist Schluß mit der WM es wird ein böse Erwachen, im Halbdunkel der Politik wird an einer neuen Reform gebastelt, ganz nach internem Gusto.
WM die schönste Erinnerung samt Angela Merkels lachenden, aus dem Rahmen fallendem Gesicht.
Monday, 26. June 2006
Totgesagte leben länger, vielleicht uninteressanter, guckt ja keiner mehr hin weil, Wettlesen während der WM...
Aber, wenn sie mit einem vergibsten Bein auf der Couch liegen, wird die Veranstaltung zur Vorleserin.
Im Vorspann wurden Ausschnitte aus früheren Jahren geboten mit vertrauter Qualm- Atmosphäre der Gruppe 47. Da wurden mehr Zigaretten angezündet als Händegeschüttelt, wie auch. Da war man noch wer. Vorbei. Trends gab es keine, kein prall erzähltes Leben. Das wir mit Sprachmüll eingedeckt werden, wissen wir. Neues, Anarchisches, Beschreibendes, Fehlanzeige. Die Prozedur der Stichwahl raubte einem den letzten Nerv, die Gewinnerin Kathrin Passig bekam für meine Ohren keinen anderen Klang, als die Lesung all der anderen Mitstreiter. Bei Clemens Meyer hörte ich etwas aufmerksamer hin während seiner 30 Minuten, trotzdem griff meine Hand immer öfter in die Kirschenschale, nein er ist es nicht, Boxer und Gefängnis im Sinne amerikanischer Short-Storys, leider mit deutsch unterkühlter Temperatur. Älter sind die Kandidaten geworden.
In Konfektion ist nicht nur der Körper gehüllt, die Sprache kommt genau so daher. Unauffälligkeit im Sommer-Look, drei lange Tage. Einsam müssen sie sein, wie dankbar wird ein kleines Scherzchen ausgelacht, Köpfe fliegen lachend hinter die Rückenlehnen der Stühle. Ursula März meinte einmal, das Dunklerwerden Welt auszumachen, Herr Corino, schüttelte sein weises Haupt, bei mir wird es jeden Abend dunkel. Eine Schrecksekunde dann fiel der Groschen.
Was ich wirklich bemängele, ist die Erfahrung, dass Norbert Scheuer, mit der Jurorin die ihn vorschlug, den Text in aller Einzelheit bearbeitete. Er bekam den 2. Preis, wenn auch erst nach der Hundertfünfzigtausenden Stichwahl.
Insgesamt ein Labsal kracht uns doch der Fussball allenthalben im Dauergetöns um die Ohren. Ist es doch ein wenig Heimat in meinem Genre, fehlen nur die dicken Rauchschwaden die durch den Raum wabern und die vollen Rotweinkrüge.
Friday, 23. June 2006
Noch nie gab es in Politik und Wirtschaft so viele neue Wörter die das Gegenteil seiner Aussage bedeuten. Kundenorientierter Standort heißt, es wird geschlossen wo, der Umsatz nicht die Erwartungen erfüllt. Allianz und Tochter, Deutsche Bank, werden ihren rigorosen Stellenabbau weiter vorantreiben, zuerst mal nur 2.500 Mitarbeiter, anschließend wird in der neuerworbenen Berliner Bank saniert, heißt Stellenabbau. 3% mehr Gehalt ausgehandelt, an jene die vorerst bleiben. Eingespart durch Aussparung. Alles unter den Augen der Gewerkschafter, der Politiker, die sich gerade auf Sommerfesten vergnügen, die wir samt Kostenintensiven Feuerwerken bezahlen, dafür, statt in den Himmel in die Röhre gucken. Solange unsere Politik nicht in der Lage ist, das zu ändern, sind sie allesamt unglaubwürdig. Die Entlassenen werden zukünftig als Faulenzer und Betrüger deklariert und sorgen für Stoff in den Medien. Wirtschaft und Industrie, die seit langem nicht mehr mit solch gutem Profit da standen, treiben uns mit Absegnung der Politiker (Glos und Steinbrück) in die Armut. Eines fällt auf, Politiker absolvierten alle einen Rhetorik Kurs in Vernebelung, um so glänzender ihre äußere Erscheinung, allesamt mit eigenem Schneider und "Münte" in vollem Toupet, ob es "Angie" gefällt? Die kommende Gesundheitsreform wirft derweil lange Schatten, ein marodes System wird weiter ordentlich gestützt. Bei der Kernenergie werden Verträge geschlossen, unangetastet von Protesten, fließen Milliarden in den radioaktiven Müll. Damit dürfen sich dann unsere Enkel auseinander setzen.
Ganz Deutschland macht gerade Urlaub vom Denken, erlebt den ersten wunderbaren Sommer deutscher Anarchie. Erfinden sich neu als gefühlsgetränkte Fußballnation. Einige wenige kopfschüttelnde Denker, dürfen als Miesepeter einen langen Urlaub antreten. Bis zu den nächsten Wahlen.
Ein wunderbares, wenn auch nicht leichtes Buch legt uns der portugiesische Autor Jose
Sunday, 18. June 2006
Deutschlands zweitwichtigstes Thema nach der WM, noch vor der Gesundheitsreform, ist Bayerns streunender Braunbär.
Ob uns da nicht die Bayern einen richtigen Bären aufbinden und dem Norden ihr Seemannsgarn spinnen? Zur richtigen Zeit unterhält Bayern während der Fußballweltmeisterschaft, für alle Globetrotter, täglich in der Zeitung, eine neue Geschichte über Bayerns wichtigsten Exportartikel JJ1 bereit. Wie sehr Bayern auf der Höhe der Globalisierung ist, zeigt, dass finnische Jäger mit ihren Hunden dem Bären hinterhertrotten und ihn, solange die WM geht, auch nicht finden dürfen. Der Bär verspeist genüßlich ein Schaf auf der Alm, die Sennerin darf ihm dabei zusehen, er blickt ihr gelangweilt in die Augen, zeigt ihr lachend seinen vollen Bauch und trollt sich gemächlich. Tausende von Krachledernen mit Gamsbärten blasen zum Halali, a rechte Gaudi ist's und kein Hund kommt ihm so nah wie eine Kamera. Flugs stellt Bayern einen Bärenbeauftragten, der darf auf 600 m in die Röhre gucken, sicher ist er daran interessiert seinen Job noch eine Weile zu behalten und so geht die Hatz lustig weiter.
Jeden Maulwurf kennen sie, jedes Stück Rotwild ist listenmäßig aufgeführt, nichts entkommt ihren Jägeraugen. Mit dem Abschießen sind sie schnell zur Hand, wenn ihnen etwas nicht ins Konzept passt, oder so richtig schön vor die Flinte läuft. Der Bär muss am Laufen gehalten werden, bis die Weltmeisterschaft gewonnen oder verloren ist. Danach darf JJ1 sich nach Österreich verziehen, oder in östlichen Wäldern verschwinden und Wühlmäuse verspeisen. Es interessiert keinen mehr, die Geschichte ist abgestanden. Nach dem Almabtrieb wird’s eh schwerer noch so ein schönes fettes Haustier zu erwischen. Leitartikler und Kolumnisten sehen sich gezwungen wieder über Politik, Gesundheitsreform, anderer Steuereinsparungen, Korruption und Kunkelei bei Hartz IV zu berichten. Gähn, langweilig, öde, Fuffi und Sex bringt auch nichts mehr. Bleibt nur eins, ein neuer Bär oder der Abwechslung wegen, darf es auch mal ein ausgebrochener Elefant sein, der in der Wintersaison an einem Skilift gesichtet wird.
Hauptsache wir erfahren, wie gemütlich und lustig es in Bayern zugeht. Trotzdem lieber ein Bär als die Preußen.
Wednesday, 14. June 2006
Interessiert uns, wie und was unsere Politiker entscheiden, während wir ausschließlich unsere Fußballeuphorie ausleben. Vor der Sommerpause soll sie durch sein, die neue Gesundheitsreform und kein Schwein protestiert über deren Willkür.
Freie Hand für unsere eloquenten Vernebler der Gesundheitsreform. Spülte nicht die letzte Gesundheitsreform der Ulla Schmidt, Milliarden in die Krankenkassen, sodass die Gehälter der Geschäftsführer gleich ordentlich erhöht werden konnten. Reichte nicht die Praxisgebühr, von der Streichung für alle Hilfsmittel, wie Brille, Kuren, Massagen, Zahnersatz? Setzen die Lobbyisten die Prioritäten? Jetzt gehen sie an selbstverschuldete Krankheiten. Raucher wieder an vorderster Front, da hocken die Politiker mit dicken Zigarren, husten ins Mikrofon, dass einem die Ohren schwellen, verkünden, dass dem kleinen Mann/Frau ihre Bronchitis oder gar Lungenkrebs nicht mehr bezahlt wird. Aber ordentlich ihre Tabaksteuer zahlen, fürs Steuersäckel. Fehler bei Schönheitsoperationen, wieso muss der Patient und nicht der gut versicherte Arzt haften? Wie sieht es aus, wenn patriotische Fans betrunken von den Sitzen fallen, sich die Knochen brechen, a`propos Knochen, bei Winterspielen, Hobbyskifahrern, Bergsteigern, überhaupt Verletzungen durch den Sport, den Profi interessiert es nicht, dieser zahlt aus seiner Portokasse. Aber der Normalo, darf er sich Sport noch leisten? Im Mittelalter richtete die Knochen der Bader, vielleicht kann es meine Friseuse auch.
Wir haben den niedrigsten Krankenstand seit Jahren, wer krank wird fliegt, Kliniken müssen schließen, aber solange mein Arzt ein Mercedeskabrio fährt, habe ich keine Angst, dass er Hartz IV Empfänger wird.
Noch drei Wochen trippeln millionenstarke Gladiatoren über Deutschlands Fußballfelder, Vorschlag; während der Halbzeit auf allen Großleinwänden und Stadien, die wichtigsten Eckpunkte der Reform groß aufzeigen und abstimmen lassen. Trompeten -ja- Pfeiffkonzert -nein-. Das Volk stimmt in Anwesenheit seiner Politiker ab. Das wäre Basisdemokratie und die Gesundheitsministerin darf mit 12.000 Euro monatlicher Vergütung in Pension gehen. Das bezahlen wir gerne.
Saturday, 10. June 2006
Für vier Wochen werde ich im Untergrund verschwinden müssen. Als nicht Fußballfan kann ich im Moment nicht punkten, egal was ich auch anfange. Kein Restaurant ohne Großglotze, kein freier Platz ohne Großbildleinwand, selbst Kinos schließen, oder sie zeigen die hundert besten Fußballfilme. Kein TV, keine Zeitung ohne . Öffentliche Verkehrsmittel sind für Nichtfans eine reegeelrechte Hörfolteer. Nur ein Thema von Sitzplatz zu Sitzplatz, nie mein Thema. Freunde nennen mich, die für die Globalisierung ansonsten eintritt, Ignorant und dass es meine patriotische Pflicht sei, Flagge zu zeigen. Eine wochenlange Freundschaftssperre droht. Harmlose Fragen und zucke nervös zusammen, fange an zu stottern. Die Lebensmittel werden knapp, selbst die Kassiererin in meinem Supermarkt sitzt aufgeschlossen, freundlich lächelnd vor ihrer Kasse, fragt, "haben sie gestern?" Ich versteinere stumm, verstaue in höchster Eile das Notwendigste, verlasse hektisch und gebückt den Laden.
Es heißt verschwinden, dicken, unsichtbar werden.
Meine Anfrage in einem Kloster der stummen Trappisten um ein vierwöchiges Exerzitien, wurde freundlichst positiv beantwortet, nicht ohne den Hinweis, dass sie auf Wunsch einen Fernseher zur Verfügung stellen, um die Spiele und Ergebnisse der Weltmeisterschaft verfolgen zu können.
Kein Verlaß mehr auf den Klerus. Gott spielt mit.
Keine fußballfreie Zone weit und breit. Die Rosen auf meiner Terrasse werden schnell in der Dunkelheit mit Wasser übergossen, denn der freundliche Nachbar winkt schon," haben sie dieses Tor gesehen?" Ich verriegle Fenster und Türen, lasse die Jalousien runter. Zeit für mein Bücherregal um die alten Klassiker, die hier seit zwanzig Jahren ein ungelesenes Dasein fristen, neben mir aufzuschichten und zu lesen. Endlich bekomme ich seelischen Zuspruch, wie befriedigend Einsamkeit sein kann.
Auf Bitten meiner Tochter wagte ich mich ein einziges mal hinaus ins Freie.
Mit meinem Lieblingsenkel, suchte ich einen völlig fußballfreien Kinderspielplatz auf. Der Kleine kaum der Windel entwachsen, schlug mit seiner Plastikschaufel auf mein Knie und krähte, "Omi kennst du den Titan Kahn?" nach kurzer Überlegung kam meine Antwort, "das mein Kleiner ist sicher ein ganz großes Schiff". Sein Schlag traf das andere Knie, "du bist eine dummi Großmutter". Nun war ich vollends stigmatisiert und bat meine Tochter, für die Dauer der WM auf weitere Besuche zu verzichten. Danach so hoffe ich, werde ich wieder zur lieben Omi. Die Freunde werden zurückkommen, mein Italiener serviert wieder bei italienischen Klängen seine gute Pasta und die Welt ist wieder in Ordnung.
Monday, 5. June 2006
In diesem Jahr so scheint
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