Ein Supermarktbesuch sofern man ihn in guter Laune und mit offenen Augen betritt, zeigt einem durchaus den kleinen Kosmos einer Umgebung. Aufgefallen ist mir ein Kindergefährt in quitschegrün. Das hintere Gestänge wurde von einem mit schwarzer Lederjacke bekleidetem jungen Mann gehalten und die kleinen Pedale vorn liefen leer. Es stach einem schon durch die Farbe ins Auge und man guckt natürlich auf den kleinen Fahrer. Der Blick des kleinen Jungen etwa zwei Jahre alt, vielleicht ein wenig jünger, war derart leer, dass es mich bis ins Mark traf, außerdem war sein Auge geschwollen und die Wange rot. Ich habe in der ganzen Zeit im Laden, mein Blick folgte ihm, nicht gesehen, dass dieser Mann, vermutlich der Vater, mit dem Kind gesprochen hätte. Das Kind regte sich nicht, die Füßchen hingen schlapp. Ich ging auf das Kind zu und lächelte es an, versuchte ein paar Faxen. Nichts keine Regung. Dann ein kleines aufflackern in den Augen, jetzt sah mich der Vater an, das Kind musste es gespürt haben, sein Blick erlosch sofort. Mir wurde klar, dass dieses Kind geschlagen und misshandelt wird und konnte nichts tun. Nichts. Und das beschäftigt mich noch heute, fühle mich schuldig, weil ich nichts tun kann, um weitere Misshandlungen zu verhindern. Vor fünf Jahren sah ich ein kleines Mädchen mit denselben ausdruckslosen Augen, auch der Vater ähnelte diesem hier. Diese Blicke kann ich nicht vergessen, daher umso schmerzlicher, dass ich zur Untätigkeit gezwungen bin. Ich kenne die Ratschläge dieser Situation von Pädagogen und Jugendämter zur Genüge. Trotzdem in einem solchen Fall bleibt nur die Untätigkeit, wenn ich nicht riskieren will, ein blaues Auge zu bekommen. Aber es bleibt mir, mit offenen Augen durch meinen Kiez zu gehen, in der Hoffnung das Kind wieder zu sehen und es einfach anzusprechen, so wie es eben Omas tun und wie es von den Eltern dieser Babys zugestehen und toleriert wird. Ich hoffe es wenigstens in diesem Falle auch Was bleibt ist ein Schuldgefühl..